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Von: Niklas Hecht
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Das Bad Nauheimer Unternehmen Microbox hat einen Scanner auf den Markt gebracht, der ein Meilenstein in der 3D-Technik ist.
Nehmen wir an, wir arbeiten in einem Museum und wollen eine alte Vase digitalisieren, damit jeder, der sich für das gute Stück interessiert, es zu Hause von allen Seiten betrachten kann. Schließlich muss man auch in der Kulturbranche mit der Zeit gehen. Doch wie stellen wir das an? Platzieren wir die Vase auf einem Tisch, können wir sie nicht von unten aufnehmen. Hat der Tisch eine Glasplatte, reflektiert das Glas. Nehmen wir die Vase in die Hand, ist die Hand im Weg.
250 Aufnahmen für einen Scan
Die Microbox GmbH aus Bad Nauheim hat nun die Lösung auf den Markt gebracht, die Geschäftsführer Stephan Welp als »Game Changer in der Kulturwelt« bezeichnet. »Cyberglobe Culture« nennt sich der 3D-Scanner, mit dem sich Microbox insbesondere an Museen wendet. Gegenstände bis zu einem Maß von 43x43x43 Zentimetern und mit einem Gewicht von bis zu 20 Kilogramm können mit dem »Cyberglobe Culture« lückenlos, detailgetreu und ohne Schattenwurf digitalisiert werden.
Ein 3D-Scanner an sich sei nichts Neues, sagt Welp. Bisher seien die Ergebnisse aber nicht zufriedenstellend gewesen. Entweder habe man das Objekt mit einem Handscanner quasi umrundet, dabei allerdings keine definierten Positionen zum Objekt gehabt. Heißt: Man schafft es mit der bloßen Hand einfach nicht, immer exakt den gleichen Abstand zu halten, so kommt es zu Verzerrungen. Oder man hatte das eingangs beschrieben Szenario. »Dann muss man irgendwann das Objekt in die Hand nehmen. Die Position kriegt man nie so genau hin wie sie ursprünglich war«, erläutert Welp.
Wie funktioniert nun der »Cyberglobe Culture«? Das Objekt, bleiben wir beim Beispiel Vase, wird auf einem Objektträger platziert, der lediglich 0,1 Millimeter dick, aber dennoch stabil ist. Dieser Objektträger dreht sich um die eigene Achse - in Abstimmung mit einer 80-Megapixel-Kamera. Die wiederum fährt im Halbkreis von oben nach unten, hält immer wieder an, fertigt für einen Scan 250 Aufnahmen aus allen Perspektiven. Auch die Bilder von unten gelingen einwandfrei, da wegen des transparenten Objektträgers kein Licht gebrochen wird.
Effizienz spart Zeit und Geld
Die Software fügt die einzelnen Aufnahmen zu einem großen Ganzen zusammen, sodass am Ende des Prozesses eine 3D-Aufnahme steht, die aussieht wie das Original. Für die richtige Ausleuchtung sorgen vier LED-Leuchten und ein milchiger Reflektor, mit dem man eine optimale Lichtverteilung erreicht.
Wer den »Cyberglobe Culture« bedient, braucht lediglich die Vase oder was auch immer auf den Objektträger zu platzieren, einen Knopf zu drücken und den Rest vom Gerät erledigen lassen. In der Zwischenzeit kann man einen Kaffee trinken oder etwas anderes tun.
Microbox-Chef Welp verweist auf die Effizienz des Arbeitsprozesses, schließlich sei nicht jedes Museum mit IT-Experten gesegnet, und der geringe zeitliche Aufwand schaffe Freiräume für andere Aufgaben. Letztlich ist Zeit Geld, und so hebt Welp auch den finanziellen Aspekt hervor, der in der Kulturbranche eine nicht ganz unerhebliche Rolle spiele.
Innerhalb von einer Stunde können laut Welp vier Digitalisate, also fertig berechnete und zusammengefügte 3D-Aufnahmen, entstehen. Übrigens funktioniert das Ganze nicht nur mit unflexiblen Dingen wie einer Vase, sondern beispielsweise auch mit einer Medaille an einem Band. Es zweimal hintereinander genau gleich hinzulegen, dürfte ein Ding der Unmöglichkeit sein. Beim »Cyberglobe Culture« muss man es nur einmal hinlegen und es wird von allen Seiten erfasst.
Produkte weltweit gefragt
Die 1958 von Dr. Ulrich Welp, dem Vater des heutigen Geschäftsführers Stephan Welp, gegründete Microbox GmbH in Bad Nauheim entwickelt Scan-Systeme, mit denen weltweit Kulturgüter digitalisiert werden. Im vergangenen Jahr ist das Unternehmen als »Hessen-Champion« in der Kategorie Weltmarktführer ausgezeichnet worden. Neun der zehn größten Bibliotheken des Planeten verwenden Hochleistungs-Scanner von Microbox. Diese kommen unter dem Markennamen »book2net« auf den Markt, der das ausdrückt, was die Geräte machen: Sie digitalisieren Bücher, Dokumente, Zeichnungen originalgetreu. Je nach Gerät kann auch das Papier selbst analysiert werden, man kann ohne persönlichen Aufwand verblasste Schrift wieder sichtbar machen, kunsthistorische Materialanalysen vornehmen, herausfinden, ob schonmal jemand die alten Seiten restauriert hat und so weiter.
Alles Informationen, die für die Wissenschaft und für Restauratoren relevant sind. Geräte von Microbox ermöglichen aber insbesondere, dass Seiten digital und originalgetreu der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden können. Ein bedeutendes Beispiel, über das diese Zeitung im März berichtet hat: Mit dem »Cobra«-Scanner sind Bibeln, die Johannes Gutenberg, der Erfinder des Buchdrucks, um 1450 herum gedruckt hat, Seite für Seite digitalisiert worden, um sie auf einer Plattform der Mainzer Universität und später über die Website des Johannes-Gutenberg-Museums der Öffentlichkeit zu präsentieren. Mit der Einführung des »Cyberglobe Culture« ist das Bad Nauheimer Unternehmen Microbox in diesem Jahr den Schritt in die 3D-Technologie gegangen.